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Judikatur-Update: Hotellerie und Gastronomie keine Saisonbranche

Stand 30/05/2022

 

Nach langer Diskussion hat der OGH nun klargestellt: Beim Hotel- und Gastgewerbe handelt es sich nicht um eine Saisonbranche. Dies kommt für viele wohl überraschend und hat weitreichende arbeitsrechtliche Folgen. Wir informieren Sie über die rechtlichen Konsequenzen und welchen Einfluss diese Entscheidung auf andere Branchen haben könnte.

 

1. Kündigungsfristen von Arbeitern in Saisonbranchen

 

Mit Oktober 2021 kam es zu einer generellen Angleichung der Kündigungsfristen und -termine der Arbeiter an die der Angestellten (§ 1159 ABGB). Wir haben hierüber bereits in unserem Newsletter vom 22.9.2021 (https://www.mo-sa-arbeitsrecht.at/aktuelle-news-2/) berichtet.

 

Die Neuregelung enthält aber eine bedeutende Ausnahme: Für Branchen, in denen Saisonbetriebe überwiegen (mehr als 50%), können durch Kollektivvertrag (KV) kürzere Kündigungsfristen und andere Kündigungstermine für Arbeiter geregelt werden (§ 1159 Abs 2 ABGB). Diese Norm lässt für die Praxis zahlreiche Fragen offen, sodass hier zum Teil eine erhebliche Rechtsunsicherheit herrscht. Die neue Entscheidung des OGH hat nun etwas Licht in die Beantwortung dieser Fragen gebracht.

 

2. Entscheidung des OGH zur Hotellerie und Gastronomie

 

Im Kollektivvertrag für Arbeiter und Arbeiterinnen im Hotel- und Gastgewerbe war schon vor der Novellierung der Kündigungsbestimmungen geregelt, dass für die Kündigungen von Arbeitern eine Frist von 14 Tagen (ohne konkreten Kündigungstermin) gelten sollte. Nachdem die Kündigungsbestimmungen für Arbeiter gesetzlich neu geregelt wurden, war zwischen den Sozialpartnern strittig, ob diese kollektivvertragliche Regelung weiterhin wirksam ist. Daher beantragte die Wirtschaftskammer Österreich (WKO) im Rahmen eines Feststellungsverfahrens beim OGH die Klärung dieser Frage.

 

Der OGH kam zum Schluss, dass die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Kündigungsbestimmungen bereits bestehenden Regelungen über abweichende (kürzere) Kündigungsfristen in Kollektivverträgen weiterhin wirksam sind und daher nicht neu abgeschlossen werden müssen. Dies aber nur unter der Voraussetzung, dass es sich um eine Branche handelt, in der Saisonbetriebe überwiegen.

 

Ein Saisonbetrieb liegt dann vor, wenn ein Betrieb seiner Art nach nur zu bestimmten Jahreszeiten oder regelmäßig zu gewissen Zeiten des Jahres erheblich verstärkt arbeitet (§ 53 Abs 6 ArbVG). Im ersten Fall arbeitet der Betrieb also zu bestimmten Zeiten des Jahres gar nicht. Im zweiten Fall steigt das Arbeitsaufkommen zu bestimmten Zeiten des Jahres erheblich über das durchschnittliche Maß an, das während des restlichen Jahres herrscht.

 

Die WKO konnte mit dem vorgelegten Datenmaterial für die Branche des Hotel- und Gastgewerbes im Wesentlichen aber nur aufzeigen, dass es bei 80% der Betriebe innerhalb eines Jahres zu erheblichen Schwankungen des Beschäftigungsgrades (33,33 % oder mehr) gekommen ist. Dies reichte für den OGH aber nicht aus, um ein verstärktes Arbeiten zu bestimmten Zeiten unter Beweis zu stellen, da die Schwankungen des Mitarbeiterstandes auch andere als saisonale Gründe haben können (zB tageweise Events oder ähnliches). Der OGH verneinte daher das Vorliegen einer Saisonbranche (OGH 24.3.2022, 9 ObA 116/21f).

 

Obwohl diese Entscheidung des OGH für nachfolgende Prozesse nicht bindend ist, ist davon auszugehen, dass sich andere Gerichte daran orientieren werden. Die WKO hat zwar angekündigt, mit neuen Daten ein neues Feststellungsverfahren beim OGH anzustreben. Bis zum Vorliegen einer neuerlichen Entscheidung herrscht aber weiterhin eine hohe Rechtsunsicherheit.

 

Da gegenständlich ausschließlich eine Branchenbetrachtung vorgenommen wird, ist es für die Frage der anwendbaren Kündigungsbestimmungen nicht relevant, ob ein im Einzelfall betroffener Betrieb ein Saisonbetrieb ist. Es ist daher für sämtliche Unternehmen dieser Branche ratsam, bei Kündigungen von Arbeitern statt der kollektivvertraglichen Kündigungsbestimmungen die für sie wesentlich ungünstigeren gesetzlichen Kündigungsbestimmungen einzuhalten. Für bereits ausgesprochene Kündigungen besteht nun das Risiko, dass betroffene Arbeitnehmer Kündigungsentschädigungen geltend machen können.

 

3. Auswirkungen auf andere Branchen

 

Während sich diese Entscheidung des OGH grundsätzlich nur auf das Hotel- und Gastgewerbe bezieht, können daraus aber auch Schlüsse für andere Saisonbranchen mit verkürzten kollektivvertraglichen Kündigungsbestimmungen gezogen werden (zB in den Arbeiter-KV der Agrarunternehmer, Kleintransporte, Güterbeförderung und der Bauindustrie).

 

Wenn nicht einmal der WKO der Nachweis gelingt, dass es sich bei der Hotellerie und Gastronomie in Österreich um eine Saisonbranche handelt, wird es für einzelne Arbeitgeber anderer Branchen äußerst schwierig sein, in einem Verfahren vor einem Arbeits- und Sozialgericht ohne Zugriff auf entsprechendes Datenmaterial diesen Nachweis zu erbringen. Somit besteht für Unternehmen ein erhebliches Risiko, wenn sie Arbeiter unter Einhaltung der verkürzten kollektivvertraglichen Kündigungsbestimmungen kündigen.

 

Solange daher nicht abschließend für jede betroffene Branche vom OGH geklärt wurde, dass innerhalb einer solchen Branche Saisonbetriebe überwiegen, sind Arbeitgeber gut beraten, die gesetzlichen Kündigungsfristen gemäß § 1159 Abs 2 ABGB einzuhalten und in den Dienstverträgen oder in einer Betriebsvereinbarung als Kündigungstermine jeden 15. Tag des Monats sowie den Monatsletzten zu vereinbaren (§ 1159 Abs 3 ABGB).

 

Für Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

 

Judith Morgenstern
Remo Sacherer
und deren Arbeitsrechts-Team

 

office@mo-sa.at
+43 1 218 13 30-0

 

#WirGestaltenArbeitsrecht

 

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